Tunesien

Tunesien (amtlich: Tunesische Republik) ist ein Staat in Nordafrika, der im Norden und Osten an das Mittelmeer, im Westen an Algerien und im Süd-Osten an Libyen grenzt. Sein Name ist von dem Namen seiner Hauptstadt Tunis abgeleitet. Tunesien gehört zu den Maghreb-Ländern. Die grösste vorgelagerte Insel ist Djerba (514 km²). Die Fläche des Landes ist mit 163.610 km² ungefähr doppelt so gross wie die Österreichs, es wird von mehr als 10 Millionen Menschen bewohnt.

Das Land unterlag im Laufe seiner Geschichte dem Einfluss mehrerer Völker. Ursprünglich war es von den Berbern besiedelt. Um 800 v. Chr. gründeten die Phönizier erste Niederlassungen im tunesischen Küstenstreifen. Die Römer gliederten es in ihre Provinz Africa ein. Das Christentum herrschte in der Folge bis zur Arabisierung ab dem 7. Jahrhundert vor. Eine kulturelle Blütezeit erlebte die Region im 12. Jahrhundert. Im 16. Jahrhundert begann die Herrschaft des Osmanischen Reiches, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts andauerte, als die Franzosen Tunesien ihr Protektorat aufzwangen. Seine Unabhängigkeit erlangte das Land 1956, seitdem ist es eine autoritär von der Einheitspartei Neo Destour/RCD regierte Republik. Die politische Stabilität ermöglichte es Tunesien, sich zu einem der wirtschaftlich wohlhabendsten Länder Afrikas zu entwickeln. Heute sind Leichtindustrie, Tourismus und Landwirtschaft bedeutende Wirtschaftsfaktoren.

Geographie

Tunesien ist das nördlichste Land Afrikas und nur 140 Kilometer von Sizilien entfernt. Es erstreckt sich zwischen dem Mittelmeer und der Sahara, zwischen 37° 20’ und 30° 10’ nördlicher Breite sowie zwischen 7° 30’ und 12° östlicher Länge. Die grösste Nord-Süd-Ausdehnung zwischen Cap Blanc und der Grenzstation Bordj el Khadra beträgt rund 780 km, die grösste Ost-West-Ausdehnung zwischen der Insel Djerba und Nefta etwa 380 km. Die Mittelmeerküste hat eine ungefähre Länge von 1300 Kilometern.
Der Nordwesten Tunesiens wird vom Tell-Atlas bestimmt. Parallel zur Nordküste verlaufen von der algerischen Grenze bis zur Bucht von Bizerta die Gebirgszüge der Kroumirie (700–800 m Höhe). Daran schliesst sich nordöstlich das Mogod-Bergland (300–400 m Höhe) an, das zum Beispiel am Cap Blanc in einer meist steilen Felsküste ins Mittelmeer abfällt. Auf der dem Wind abgewandten Seite des Gebirges schliesst sich das Talbecken des ganzjährig wasserführenden Medjerda an, dessen Unterlauf zur wichtigsten Agrarzone des Landes gehört.

Die Bergrücken der Dorsale verlaufen von Nordost (am Westrand von Cap Bon beginnend) nach Südwest mit dem höchsten Berg Tunesiens (Djebel Chambi, 1544 m) mit einer Länge von 220 Kilometern. Die nordöstliche Verlängerung dieser Gebirgszüge bildet die Halbinsel Cap Bon mit fruchtbaren Ebenen und einigen Erhebungen (Djebel Beno Oulid, 637 m und Djebel Korbous, 419 m), die jedoch als eigenständige Landschaftsregion aufgefasst wird.
Östlich der Dorsale, entlang der Mittelmeerküste zwischen Hammamet und Skhira, Sousse und Sfax, liegt der Sahel (arabisch für Küste) genannte Küstenstreifen, der durch Regen bringende Ostwinde sehr fruchtbar ist und unter anderem grosse Olivenbaumkulturen ermöglicht.
Südlich der Dorsale schliesst sich die Region des Zentraltunesischen Steppenlandes an, die an ihrem Südrand mit dem Nördlichen Gebirgssaum einen Übergang zur Schottsenke (Chott el Djerid und Chott el Gharsa) bildet. Die von Salzseen und Oasen geprägte Landschaft geht weiter südlich am Östlichen Grossen Erg in die Wüstenlandschaft der Sahara über. In südöstlicher Richtung folgt das bis zu 600 m hohe Kalksteinplateau Dahar, das mit einem Schichtstufenland an die Wüstensteppe der Djeffara-Ebene anschliesst. Diese Landschaft erstreckt sich weiter über die Landesgrenze nach Libyen.
Entlang des Mittelmeeres, um den Golf von Gabès liegt die Litoralzone, die durch sandige Flachküsten, Lagunen und vorgelagerte Inseln (beispielsweise Djerba) gekennzeichnet ist.

Gewässer

Der Medjerda
Die Gewässer Tunesiens befinden sich fast alle im Norden des Landes. Der wichtigste Fluss ist der Medjerda, er bekommt die meisten Niederschläge (400 mm pro Jahr) und führt 82 % der Wasservorkommen. Daneben gibt es noch einige kleinere Wadis, also Flüsse, die nicht ganzjährig Wasser führen. Wichtigste Seen, Lagunen und Sabcha sind der See von Bizerta, der Ichkeul-See, der See von Tunis, die Lagune von Ghar El Melh, die Sabcha Ariana und die Sabcha Sejoumi.
Die Landesmitte und der Süden Tunesiens sind durch Aridität und Abflusslosigkeit gekennzeichnet. Die Gewässer wie die Sabcha Sidi El Héni haben nur 12 % bzw. 6 % der Wasserressourcen. Allerdings existieren dort grosse Grundwasservorkommen, was die Fläche an Oasen in den letzten dreissig Jahren von 15.000 auf 30.000 Hektar zu vergrössern erlaubt hat.
Bereits während der Kolonialzeit wurde mit dem Bau von Stauseen begonnen, damals vor allem, um Tunis mit Trinkwasser zu versorgen. Nach der Unabhängigkeit wurden die Projekte weitergeführt, damals mit dem Ziel der Bewässerung. Seit den 1980er Jahren ist die Verstädterung für den starken Anstieg des Wasserbedarfs verantwortlich. Mittlerweile gibt es in Tunesien 21 grosse Staudämme, zahlreiche kleinere Stauanlagen, sowie 98 Kläranlagen. 80 % des Wasserverbrauchs entfiel im Jahr 2000 auf die Landwirtschaft. Ab dem Jahr 2030 wird mit ernsthaftem Ressourcendefizit an Süsswasser gerechnet.

Klima

Satellitenbild von Tunesien. Gut zu erkennen sind die vegetationsreichere Zone im Norden, die Steppe mit den Salzebenen der Schotts in der Mitte und die vegetationslose Sahara im Süden des Landes.
In Tunesien stossen mediterranes und arides Klima aufeinander. Die Niederschläge nehmen von Nord nach Süd ab und von Ost nach West leicht zu. Es lassen sich unterscheiden der winterfeucht-sommertrockene Norden, die vom wechselhaften Klima bestimmte zentraltunesische Steppenregion mit heissen Sommern, kalten Wintern und abnehmenden Niederschlägen, die vom Meer beeinflusste Mittelmeerküste mit ausgeglichenerem Klima und das Wüstenklima südlich der Schotts.
Mit zunehmender Entfernung vom Mittelmeer weicht sein ausgleichender Einfluss einem kontinentalen Klima. Die Mitteltemperaturen liegen im Januar bei 10 °C, im August bei 26 °C (Tunis). Südlich des Atlas herrscht ganzjährig trockenheisses Wüstenrandklima mit sehr unregelmässigen Niederschlägen. Die Temperaturen erreichen hier Maximalwerte bis 45 °C, wobei es zu 10 °C Temperaturdifferenz im Schatten kommen kann (normalerweise nur 5 °C). Die extremsten Unterschiede werden in der Sahara mit sommerlichen Temperaturen von 50 °C und Bodenfrösten im Winter erreicht. Unerträgliche Hitze kann der in Tunesien Chehili genannte Saharawind Schirokko bringen.
Niederschläge fallen fast nur in den Wintermonaten und werden meistens von Tiefausläufern des weiter nördlich gelegenen Westwinddrifts herangeführt. Im Sommer liegt das gesamte Land im Bereich der subtropischen Hochdruckzone, welche die Tiefdruckgebiete der Westwinddrift um das Mittelmeer herumleitet. Jedoch kann es in Ausnahmefällen auch im Sommer zu heftigen Regenfällen kommen, die vorher ausgetrocknete Wadis in reissende Ströme verwandeln. Während im Norden die jährliche Niederschlagsmenge bei 500–1.000 mm an der Nordküste und 1.500 mm im Gebirge liegt und damit für einen erfolgreichen Regenfeldbau ausreicht, ist im Süden die Verdunstung stärker als die unregelmässige Niederschlagsmenge von allenfalls 200 mm pro Jahr.
Flora und Fauna
An der Nordküste und im Atlasgebirge wächst mediterraner Laub- und Buschwald (Macchie) mit Steineichen, Korkeichen und Aleppo-Kiefern, wo neben Kleinwild auch Wildschweine Nahrung finden. Zwischen 1990 und 2000 hat der Waldbestand um 0,2 % zugenommen. In den sich anschliessenden südlichen Steppen leben Gazellen. In den Wüstengebieten kommen vor allem Heuschrecken, Skorpione, Schlangen und Bussarde vor.
Bevölkerung

Daten zur tunesischen Bevölkerung 2004

Gesamtbevölkerung 10.276.158
Bevölkerungsdichte 62,2 EW/km²
Bevölkerungswachstum 0,989 %
Median-Alter (Gesamtbevölkerung)
– Männer
– Frauen 28,3 Jahre
27,7 Jahre
28,8 Jahre
Altersstruktur
– 0–14 Jahre
– 15–64 Jahre
– ab 65 Jahre
24 %
69,2 %
6,9 %
Anteil der Männer an der Gesamtbevölkerung
– Bei der Geburt
– Unter 15 Jahren
– 15–64 Jahre
– ab 65 Jahre 1,015 Männer/Frau
1,07 Männer/Frau
1,066 Männer/Frau
1,009 Männer/Frau
0,9 Männer/Frau
Anteil der Stadtbevölkerung 65,3 %

Quellen: CIA World Factbook und UNO
Tunesien hat im Jahr 2005 die Schwelle von 10 Millionen Einwohnern überschritten. Dies bedeutet eine Verdreifachung der Bevölkerung seit 1956, und eine Verdoppelung seit Beginn der 1970er Jahre. Seit dem Beginn der 1990er Jahre hat sich das Bevölkerungswachstum jedoch verlangsamt. Tunesien hat heute die niedrigste Geburtenrate der ganzen arabischen Welt und ein Bevölkerungswachstum von etwa 1 %.

Ethnische Herkunft

Die grosse Mehrheit der Tunesier (98 %) identifiziert sich kulturell mit den Arabern, wenngleich Studien belegen, dass sie aus ethnischer Sicht den Berbern und auch den Iberern näher stehen, während der genetische Anteil der Araber, die die Region im 7. und 8. Jahrhundert besiedelten, geringer ausfällt. Unter den Zivilisationen, die das Gebiet des heutigen Tunesiens besiedelt haben und die zu jeweils unterschiedlichen Graden assimiliert wurden, sind die Phönizier, , die Römer, die aus Germanien kommenden Vandalen, die Ottomanen und zuletzt die Franzosen. Dazu kamen im 15. Jahrhundert zahlreiche Mauren und Juden aus Andalusien.
Die ersten Ostaraber kamen im 7. Jahrhundert mit der moslemischen Eroberung des Maghreb. Sie islamisierten den Grossteil der Ifriqiya. In dieser Epoche entstanden neue Städte wie Kairouan und Mahdia. Ab dem 11. Jahrhundert kamen die aus Ägypten vertriebenen Banu Hilal im heutigen Tunesien an und besiegelten die sprachliche und kulturelle Arabisierung des Landes. Die berberische Sprache und Kultur ist nur in einigen geographisch isolierten Gebieten in den Bergen nahe Matmata, Tataouine, Gafsa oder Sbeïtla erhalten geblieben. Anders als in Marokko oder Algerien, wo die Berber eine ethnische Minderheit darstellen, ist ihre Zahl in Tunesien verschwindend gering.

Sprache

Tunesien ist unter den Maghreb-Staaten das aus linguistischer Sicht homogenste Land, weil fast die gesamte Bevölkerung Tunesisch-Arabisch spricht und auch das Schriftarabisch, die offizielle Amtssprache des Landes, beherrscht. Für das Tunesisch-Arabisch, das eigentlich eine Mischung mehrerer Dialekte ist, gibt es keine offizielle Regulierung. Es wird vor allem als Alltagssprache verwendet. Nur im Süden des Landes und auf der Insel Djerba werden noch vereinzelt berberische Dialekte benutzt.
Während der Zeit des französischen Protektorats in Tunesien wurde die französische Sprache eingeführt, speziell in den Bildungseinrichtungen. Nach der Unabhängigkeit wurde den Institutionen zwar die arabische Sprache aufgezwungen, speziell Verwaltung, Justiz und Bildungswesen blieben jedoch lange Zeit zweisprachig. Tunesien ist den europäischen Sprachen auf Grund seiner geographischen Lage und durch die Medien und Tourismus stark ausgesetzt, was Kenntnis dieser Sprachen bei den Tunesiern fördert.
In den 1990er Jahren wurde das Französische aus dem öffentlichen Leben in Tunesien wieder zurückgedrängt, um einerseits den Zugang zu höherer Bildung zu vereinfachen und um das arabisch-islamische Flair im öffentlichen Raum zu beleben. Seit Oktober 1999 wird von allen Geschäftstreibenden verlangt, in ihren Werbeaufschriften mindestens doppelt so viel Platz für arabische wie für lateinische Zeichen zu verwenden. Die Verwaltung wurde dazu angehalten, alle Kommunikation auf Arabisch umzustellen, obwohl dies bisher nur im Verteidigungs- und Justizministerium sowie im Parlament gelungen ist. Französisch wird somit lediglich zu einem Symbol des höheren Bürgertums.

Religion

Der Islam ist in Tunesien Staatsreligion ; 98 % der Bevölkerung bekennen sich zu diesem Glauben. 85 % der tunesischen Muslime gehören dem malikitischen Madhhab der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an. Der Rest sind Hanafiten und Ibaditen. Christen und Juden sind kleine Minderheiten, aber das Land ist gegenüber religiösen Minderheiten vergleichsweise tolerant.
Im Volksglauben der Tunesier finden sich noch heidnische Überbleibsel wie etwa der Glaube an den Bösen Blick. Das ganze Land ist von Qubbas übersät. Diese kleinen, meist weissen Kuppelbauten sind Pilgerorte, häufig Grabstätten von islamischen Heiligen (Marabouts), von denen geglaubt wird, dass sie Botschafter zwischen Mensch und Gott sind. Im Volksislam werden Marabouts um Hilfe gebeten, auch wenn dies vom offiziellen Sunnitentum als Abgötterei (Schirk) bezeichnet wird.
Das Judentum war in Tunesien einst sehr bedeutend, heute gibt es nur noch rund 1500 Juden. Auf der Insel Djerba steht seit wahrscheinlich über 1000 Jahren die Al-Ghriba-Synagoge (Die Erstaunliche), eine der ältesten Synagogen der Welt. Jedes Jahr findet dort die grösste jüdische Wallfahrt Nordafrikas statt, zu der Gläubige aus der ganzen Welt erwartet werden. Auf Djerba leben auch noch einige muslimische Kharidjiten.
Die Verfassung Tunesiens sieht die freie Ausübung des Glaubens vor, so lange diese nicht die öffentliche Ordnung stört. Dieses Grundrecht wird von der tunesischen Regierung in der Regel respektiert. Religiöse politische Parteien sind jedoch nicht zugelassen, Proselytismus und Polygamie sind verboten. Das Tragen des Hidschab ist eingeschränkt und in der Verwaltung und öffentlichen Schulen nicht gestattet. Islamische Feiertage (wie etwa das Islamische Opferfest, das Fest des Fastenbrechens oder Mawlid an-Nabi) sind in Tunesien gesetzliche Feiertage.

Auslandstunesier

Für das Jahr 2007 wurde die Zahl der im Ausland lebenden Tunesier auf eine Million Personen geschätzt. Davon entfallen 84 % auf Europa, 600.000 allein auf Frankreich, 143.000 auf Italien (etwa 10 % der Bevölkerung in Sizilien sind tunesischer Abstammung) und 80.000 auf Deutschland. In Nordamerika leben 26.000 (2,6 %) und in den arabischen Staaten insgesamt 140.000 Tunesier, davon 80 % in Maghrebländern (überwiegend in den Nachbarstaaten Libyen und Algerien, wo sie sich als Nachbarn kulturell schnell integrieren können) und etwa 24.655 hochqualifizierte Arbeitskräfte in den Golfstaaten. Die Tunesier in den europäischen Ländern besitzen in der Regel die doppelte Staatsbürgerschaft. Die meisten waren entweder im 19. Jahrhundert während des französischen Protektorats nach Europa ausgewandert oder kamen in den 1950er und 1960er Jahren als Gastarbeiter. Diese Auswanderer haben eine grosse Bedeutung für die tunesische Wirtschaft: Sie überweisen einerseits hohe Summen, um die daheim gebliebenen Angehörigen zu unterstützen, andererseits investieren Heimkehrer aus dem Ausland viel in heimische Wirtschaftsbetriebe.

Geschichte

Vorgeschichte

Erste Spuren von nomadisch lebenden Jägern und Sammlern aus der Altsteinzeit wurden in der 20 Kilometer östlich von Gafsa gelegenen Oase El Guettar gefunden.
Auf das Ibéromaurusien, eine an der nordafrikanischen Küste verbreitete Kultur, folgte das Capsien. Von dieser Kultur wurden 15.000 Jahre alte Skelette und Werkzeuge gefunden, die darauf hinweisen, dass die Capsien-Menschen neben Steinwerkzeugen auch Nadeln aus Knochen zum Nähen von Kleidung aus Tierhäuten herstellten.
Während der Jungsteinzeit formte sich die Sahara mit ihrem heutigen Klima. Diese Epoche ist gekennzeichnet von der Einwanderung der Berber. Es entstanden erste Kontakte mit den Phöniziern in Tyros, die gegen Ende der Jungsteinzeit begannen, das heutige Tunesien zu besiedeln und später das Karthagische Reich gründeten.

Punisches und Römisches Karthago

Das heutige Tunesien erlebte zu Beginn der geschichtlichen Aufzeichnungen die Gründung von Handelsniederlassungen durch Siedler aus dem östlichen Mittelmeer. Gemäss der Legende war die erste dieser Niederlassungen Utica im Jahre 1101 v. Chr. Im Jahr 814 v. Chr. gründeten aus Tyros kommende phönizische Siedler die Stadt Karthago. Nach der Legende war es die Königin Élyssa, die Schwester des Königs von Tyr, Pygmalion, welche die Stadt gründete.
Karthago wurde innerhalb von 150 Jahren zur grössten Macht des westlichen Mittelmeeres. Die Einflussnahme geschah teils durch Kolonisierung, grösstenteils jedoch durch Handelsniederlassungen und Verträge. Diese Macht und das hohe landwirtschaftliche Potential des karthagischen Mutterlandes führten dazu, dass das Interesse des jungen, erstarkenden römischen Reiches geweckt wurde und es kam zur Konfrontation, die in den drei Punischen Kriegen gipfelte. Karthago konnte mit seinen unter anderen von Hannibal geführten Truppen während des Zweiten Punischen Krieges (218-201 v. Chr.) das Römische Reich mehrmals an den Rand einer Niederlage bringen. Am Ende des Dritten Punischen Krieges (149–146 v. Chr.) wurde die Stadt Karthago drei Jahre belagert und letzten Endes zerstört. Das Gebiet des heutigen Tunesien wurde Teil der römischen Provinz Africa mit Hauptstadt Utica. Im Jahr 44 v.Chr. beschloss Caesar, eine Colonia in Karthago zu gründen, was jedoch von Augustus erst mehrere Jahrzehnte später verwirklicht wurde, und im Jahr 14 wurde Karthago Hauptstadt von Africa.
Africa wurde, neben Ägypten, zu einem der bedeutendsten Lieferanten landwirtschaftlicher Produkte Roms, vor allem lieferte Africa Getreide und Olivenöl. Es entstand ein dichtes Netz an römischen Siedlungen, deren Ruinen bis heute noch zu sehen sind, etwa Dougga (römisch Thugga), Sbeïtla (Sufetula), Bulla Regia, El Djem (Thysdrus) oder Thuburbo Majus. Africa war, zusammen mit Numidien, für sechs Jahrhunderte lang eine sehr wohlhabende Provinz, wo etwa die Mosaikkunst blühte. Dank seiner Rolle als Knotenpunkt der Antike siedelten sich in der Folge auch Juden und die ersten Christen im heutigen Tunesien an.

Christianisierung

Das Christentum breitete sich schnell aus, vor allem durch die Ankunft von Siedlern, Händlern und Soldaten. Bekanntheit erlangte Karthago diesbezüglich, dass hier der einflussreiche christliche Apologet Tertullian lebte und wirkte, sodass Nordafrika sich in der nächsten Zeit zu einem von mehreren Zentren des Christentums entwickelte. Die heidnische Bevölkerung widersetzte sich zunächst dem neuen Kult, später wurde die Christianisierung auch mit Gewalt durchgesetzt. Ab 400 durchdrang das Christentum durch die Aktivitäten von Augustinus von Hippo und seiner Bischöfe sämtliche Gesellschaftsschichten, indem sie die städtische Aristokratie und die Landbesitzer auf ihre Seite brachten. Krisen wie etwa das donatistische Kirchenschisma, das mit dem Konzil von Karthago abgewendet wurde, überwand das Christentum dank der guten wirtschaftlichen und sozialen Lage schnell. Davon zeugen Ruinen von Bauwerken wie die Basilika von Karthago oder die zahlreichen Kirchen, die auf heidnischen Tempeln (wie etwa in Sufetula) erbaut wurden.
Am 19. Oktober 439 eroberten die Vandalen und Alanen Karthago und errichteten ein Königreich, das ein Jahrhundert dauerte. Die Vandalen gehörten dem Arianismus an, einer Glaubensrichtung, die auf dem Ersten Konzil von Nicäa zur Häresie erklärt worden war. Sie forderten von der zumeist katholischen Bevölkerung die Treue zu ihrem Glauben und antworteten auf deren Weigerung mit Gewalt. Besitztümer der katholischen Kirche wurden beschlagnahmt. Die Kultur der ansässigen Bevölkerung blieb aber unangetastet und auch das Christentum florierte, soweit es die neuen Herrscher tolerierten. Das Vandalenreich ging nach der verlorenen Schlacht bei Tricamarum unter, bei der die Vandalen unter König Gelimer gegen die oströmischen Truppen von Belisar unterlagen. Kaiser Justinian I. machte aus Karthago eine Diözese und 590 das Exarchat von Karthago, das gegenüber der kaiserlichen Zentralmacht hohe zivile und militärische Autonomie besass. Heiden, Juden und Häretiker wurden bald darauf aber von der byzantinischen Zentralgewalt, die das Christentum zur Staatsreligion erheben wollte, verfolgt.

Islamisierung und Arabisierung

Die ersten arabischen Vorstösse auf das heutige Tunesien begannen im Jahre 647. 661 wurde in einer zweiten Offensive Bizerta erobert; die Entscheidung fiel nach der dritten, 670 von Uqba ibn Nafi angeführten Offensive und der Gründung von Kairouan, die später Ausgangspunkt für die arabischen Expeditionen auf den nördlichen und westlichen Maghreb wurden. Der Tod von Uqba ibn Nafi 693 führte nur zu einem vorübergehenden Stillstand der arabischen Eroberung; 695 nahm der Ghassaniden-General Hassan Ibn Numan Karthago ein. Die Byzantiner, deren Seestreitkräfte den Arabern überlegen waren, griffen 696 Karthago an und nahmen es ein, während 697 die Berber unter al-Kahina die Araber in einer Schlacht besiegten. 698 jedoch eroberten die Araber Karthago erneut und besiegten auch al-Kahina.
Anders als vorherige Eroberer gaben sich die Araber nicht damit zufrieden, nur die Küstengebiete zu okkupieren, sondern machten sich auch an die Eroberung des Landesinneren. Nach einigem Widerstand konvertierten die meisten Berber zum Islam, vor allem durch die Aufnahme in die Streitkräfte der Araber. In den neugebauten Ribats wurden religiöse Schulen eingerichtet. Gleichzeitig jedoch schlossen sich zahlreiche Berber der Glaubensrichtung der Charidschiten an, die die Gleichheit aller Muslime unabhängig von ihrer Rassen- oder Klassenzugehörigkeit verkündigte. Das heutige Tunesien blieb eine Provinz der Umayyaden, bis es 750 an die Abbasiden fiel. Zwischen 767 und 776 wurde das gesamte Territorium Tunesiens von den berberischen Charidschiten unter Abu Qurra beherrscht, die sich später in ihr Königreich Tlemcen zurückziehen mussten.
Im Jahre 800 übergab der Abassidenkalif Harun ar-Raschid seine Macht über Ifriqiya dem Emir Ibrahim ibn Al-Aghlab und übertrug ihm auch das Recht, seine Funktion zu vererben. Somit wurde die Aghlabiden-Dynastie gegründet, die ein Jahrhundert lang den mittleren und östlichen Maghreb beherrschte. Das heutige Tunesien wurde zu einem bedeutenden Kulturraum mit der Stadt Kairouan und seiner Grossen Moschee im Mittelpunkt. Tunis wurde bis zum Jahr 909 die Hauptstadt des Emirates.
Das Aghlabiden-Emirat verschwand innerhalb von 15 Jahren (893–909) durch die Aktivitäten des proselytischen Ismailiten Abu Abd Allah asch-Schi?i, unterstützt durch eine fanatisierte Armee, die sich aus dem berberischen Kutama-Stamm rekrutierte. Im Dezember 909 rief sich Ubaid Allah al-Mahdi zum Kalifen aus und gründete damit die Fatimiden-Dynastie. Gleichzeitig erklärte er die sunnitischen Umayyaden und die Abbasiden zu Usurpatoren. Der Fatimidenstaat breitete seinen Einfluss auf ganz Nordafrika aus, indem er die Karawansereien und damit die Handelswege mit Schwarzafrika unter seine Kontrolle brachte. Eine letzte grosse Revolte des charidschitischen Banu Ifran-Stammes unter Abu Yazid konnte niedergeschlagen werden. Der dritte Fatimidenkalif Ismail al-Mansur verlegte die Hauptstadt nach Kairouan und eroberte 948 Sizilien. 972, drei Jahre nachdem die Region vollständig erobert war, verlegte die Fatimiden-Dynastie ihre Basis in östliche Richtung. Kalif Abu Tamim al-Muizz legte die Herrschaft über Ifriqiya in die Hände von Buluggin ibn Ziri, der die Ziriden-Dynastie gründete. Die Ziriden erlangten schrittweise die Unabhängigkeit vom Fatimiden-Kalifen, was mit einem kompletten Bruch mit den Fatimiden endete. Diese rächten sich für den Verrat damit, dass sie Beduinenstämme (die Banu Hilal und Banu Sulaym) aus Ägypten mit Eigentumstiteln auf Land in Ifriqiya ausstatteten und gegen die Ziriden ziehen liessen. Kairouan wurde in der Folge nach fünfjährigem Widerstand erobert und geplündert. 1057 flohen die Ziriden nach Mahdia, während die Eroberer in Richtung des heutigen Algerien weiterzogen. Die Ziriden versuchten danach erfolglos, das inzwischen von den Normannen besetzte Sizilien zurückzuerobern, und 90 Jahre lang versuchten sie, Teile ihres früheren Territoriums zurückzugewinnen. Sie verlegten sich auf Piraterie, um sich am Seehandel zu bereichern.
Diese Migration war das entscheidendste Ereignis in der Geschichte des mittelalterlichen Maghreb. Sie hat das traditionelle Gleichgewicht zwischen nomadischen und sesshaften Berbern zerstört und zu einer Bevölkerungsdurchmischung geführt. Das Arabische, das bis dahin nur von den städtischen Eliten und am Hof gesprochen wurde, begann, die berberischen Dialekte zu beeinflussen.
Ab dem ersten Drittel des 12. Jahrhunderts war Tunesien häufigen Angriffen der Normannen aus Sizilien und Süditalien ausgesetzt. Das Territorium von Ifriqiya wurde gleichzeitig (1159) vom Almohaden-Sultan Abd al-Mu’min von Westen aus erobert. Wirtschaft und Handel blühten auf; Handelsbeziehungen wurden mit den wichtigsten Städten am Mittelmeer aufgenommen. Der wirtschaftliche Aufschwung bewirkte, dass das almohadische Jahrhundert als goldenes Zeitalter des Maghreb in die Geschichte einging, als sich grosse Städte mit prächtigen Moscheen entwickelten und Wissenschaftler wie Ibn Chaldun arbeiteten.
Die Almohaden legten die Verwaltung des heutigen tunesischen Gebiets in die Hände von Abu Muhammad Abdalwahid, doch bereits sein Sohn Abu Zakariya Yahya I. löste sich 1228 ab und gründete die Dynastie der Hafsiden. Zwischen 1236 und 1574 regierte somit die erste tunesische Dynastie. Die Hauptstadt wurde nach Tunis verlegt, das sich dank dem Seehandel schnell entwickelte.

Osmanische Herrschaft

Ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts verloren die Hafsiden langsam die Kontrolle über ihr Territorium und gerieten, speziell nach der verlorenen Schlacht von Kairouan (1348) unter den Einfluss der Meriniden des Abu Inan Faris. Die Pest von 1384 traf Ifriqiya mit voller Wucht und trug zum Bevölkerungsschwund seit den Invasionen durch die Banu Hilal bei. Gleichzeitig begannen Mauren und Juden aus Andalusien einzuwandern. Die Spanier unter Ferdinand II. und Isabella I. eroberten die Städte Mers-el-Kébir, Oran, Bejaia, Tripolis und die Algier vorgelagerte Insel. Die Hafsidenherrscher sahen sich genötigt, die Hilfe der Korsarenbrüder Khair ad-Din Barbarossa und Arudsch in Anspruch zu nehmen.
In ihrer Bedrängnis erlaubten die Hafsiden den Korsaren, den Hafen von La Goulette und die Insel Djerba als Basis zu benutzen. Nach dem Tod von Arudsch machte sich sein Bruder Khair ad-Din Barbarossa zum Vasallen des Sultans von Istanbul und wurde von ihm zum Admiral des Osmanischen Reiches ernannt. Er eroberte 1534 Tunis, musste sich aber 1535 aus der Stadt zurückziehen, nachdem diese durch eine Armada von Karl V. im Tunisfeldzug erobert worden war. 1574 wurde Tunis wieder von den Osmanen, diesmal unter Führung von Turgut Reis, erobert. Tunesien wurde damit eine Provinz des osmanischen Reiches. Die neuen Herrscher hatten aber wenig Interesse an Tunesien und ihre Bedeutung nahm ständig auf Kosten von lokalen Machthabern ab; es waren nur 4000 Janitscharen in Tunis stationiert. Im Jahre 1590 kam es zu einem Janitscharenaufstand, als dessen Resultat ein Dey an die Staatsspitze gesetzt wurde. Ihm war ein Bey unterstellt, der für die Verwaltung des Landes und die Steuereintreibung verantwortlich war. Der den Bey gleichgestellte Pascha hatte nur die Aufgabe, den osmanischen Sultan zu repräsentieren. Im Jahre 1612 gründete Murad Bey die Dynastie der Muraditen, am 15. Juli 1705 machte Husain I. ibn Ali sich zum Bey von Tunis und gründete die Dynastie der Husainiden. Unter den Husainiden erreichte Tunesien einen hohen Grad an Selbständigkeit, obwohl es offiziell noch immer osmanische Provinz war. Ahmad I. al-Husain, der von 1837 bis 1855 regierte, leitete einen Modernisierungsschub ein mit wichtigen Reformen wie die Abschaffung der Sklaverei oder die Annahme einer Verfassung.

Französisches Protektorat, Unabhängigkeitskampf

Wirtschaftliche Schwierigkeiten, hervorgerufen durch eine ruinöse Politik der Beys, hohe Steuern und ausländische Einflussnahme, zwangen die Regierung 1869, den Staatsbankrott zu erklären und eine internationale englisch-französisch-italienische Finanzkommission ins Leben zu rufen. Aufgrund seiner strategischen Lage wurde Tunesien schnell zum Zielpunkt der französischen und italienischen Interessen. Die Konsuln Frankreichs und Italiens versuchten, aus den finanziellen Schwierigkeiten der Beys ihre Vorteile zu ziehen, wobei Frankreich darauf vertraute, dass sich England neutral verhalten würde (England hatte kein Interesse daran, dass Italien den Seeweg über den Sueskanal in seine Kontrolle bringen würde), und auch darauf, dass Bismarck die Aufmerksamkeit Frankreichs von der Elsass-Lothringen-Frage ablenken wollte.
Einfälle von Plünderern aus der Kroumirie in das Territorium Algeriens lieferten Jules Ferry den Vorwand, Tunesien zu erobern. Im April 1881 drangen französische Truppen in Tunesien ein und eroberten innerhalb von drei Wochen Tunis, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stossen. Am 12. Mai 1881 wurde Bey Muhammad III. al-Husain zur Unterzeichnung des Bardo-Vertrages gezwungen. Aufstände rund um Kairouan und Sfax einige Monate später wurden schnell erstickt. Das Protektorat wurde mit den Vertrag von la Marsa vom 8. Juni 1883 gefestigt. Sie räumten Frankreich weitreichende Befugnisse in der Aussen-, Verteidigungs- und Innenpolitik Tunesiens ein. Frankreich gliederte das Land in sein Kolonialreich ein vertrat in der Folge Tunesien auf dem internationalen Parkett. Der Bey musste fast seine gesamte Macht an den Generalresidenten abgeben. Auf wirtschaftlichem Gebiet gab es Fortschritte:
Banken und Unternehmen wurden gegründet,
die landwirtschaftliche Nutzfläche wurde erweitert und für den Anbau von Getreide und Oliven genutzt,
1885 wurden beträchtliche Phosphatvorkommen in der Region Seldja entdeckt. Nach dem Bau einiger Eisenbahnlinien (siehe Geschichte der Eisenbahn in Tunesien begannen Phosphatabbau und Eisenerzabbau.
Ein zweisprachiges Bildungssystem wurde eingeführt, das es den Eliten Tunesiens erlaubte, sich auf arabisch und französisch fortzubilden.

Prozess nach der Djellaz-Affäre, 1911

Am Beginn des 20. Jahrhunderts begann Widerstand gegen die französische Besatzung. 1907 gründeten Béchir Sfar, Ali Bach Hamba und Abdeljelil Zaouche die reformistische Intellektuellenbewegung Jeunes Tunisiens. Diese nationalistische Strömung zeigte sich in der Djellaz-Affäre 1911 und im Boykott der Strassenbahn von Tunis 1912. Von 1914 bis 1921 herrschte in Tunesien der Ausnahmezustand und jede antikolonialistische Presse wurde verboten. Trotzdem bekam die nationale Bewegung mehr Zulauf und zu Ende des ersten Weltkriegs wurde von einer Gruppe um Abdelaziz Thâalbi die Destour-Partei gegründet. Sie verkündete nach ihrer offiziellen Gründung am 4. Juni 1920 ein Acht-Punkte-Programm. Der Anwalt Habib Bourguiba, der schon vorher in Zeitschriften wie La Voix du Tunisien oder L’Étendard tunisien das Protektoratsregime angeprangert hatte, gründete 1932 zusammen mit Tahar Sfar, Mahmoud Materi und Bahri Guiga die Zeitschrift L’Action Tunisienne, welche neben der Unabhängigkeit auch für den Laizismus eintrat. Diese Position führte zur Spaltung der Destour-Partei auf dem Kongress von Ksar Hellal am 2. März 1934:
Der islamistische Flügel blieb beim alten Namen Destour;
der modernistische und laizistische Flügel nannte sich Néo-Destour. Er verlieh sich eine moderne Organisation nach dem Vorbild europäischer sozialistischer Parteien und beschloss als Ziel, die Macht zu ergreifen, um die Gesellschaft zu verändern.
Nach dem Scheitern von Verhandlungen mit der Regierung Léon Blum kam es 1937 zu einigen blutigen Zwischenfällen, die in den gewaltsam niedergeschlagenen Unruhen vom April 1938 gipfelten. Diese Unterdrückung führte dazu, dass der Néo-Destour seinen Kampf im Untergrund fortführte. 1940 lieferte das Vichy-Regime Bourguiba auf Verlangen Mussolinis an Italien aus, welcher sich erhoffte, damit die Résistance in Nordafrika zu schwächen. Bourguiba rief jedoch am 8. August 1942 zur Unterstützung für die Alliierten auf. Zur gleichen Zeit war das Land Schauplatz der Schlacht um Tunesien, an deren Ende die Truppen des Dritten Reiches am 11. Mai zur Kapitulation am Cap Bon gezwungen wurden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der bewaffnete Widerstand Teil der Strategie zur nationalen Befreiung. Verhandlungen mit der französischen Regierung wurden geführt und Robert Schuman deutete 1950 sogar eine schrittweise Unabhängigkeit Tunesiens an; nationalistische Auseinandersetzungen führten 1951 jedoch zum Scheitern dieser Verhandlungen.

Habib Bourguiba in Bizerta (1952)

Nach der Ankunft des neuen Generalresidenten, Jean de Hauteclocque, am 13. Januar 1952 und der Verhaftung von 150 Destour-Mitgliedern am 18. Januar begann eine bewaffnete Revolte, während sich die Fronten auf beiden Seiten verhärteten. Die Ermordung des Gewerkschafters Farhat Hached durch die kolonialistische Extremistenorganisation La Main Rouge führte zu Kundgebungen, Unruhen, Streiks und Sabotageaktionen, wobei das Ziel immer mehr die Strukturen der Kolonisation und Regierung wurden. Frankreich mobilisierte 70.000 Soldaten, um die tunesischen Guerilla-Gruppen unter Kontrolle zu bringen. Diese Situation wurde erst mit der Zusicherung innerer Autonomie an Tunesien durch Pierre Mendès-France am 31. Juli 1954 entschärft. Am 3. Juli 1955 wurden schliesslich von Tunesiens Premierminister Tahar Ben Ammar und seinem französischen Amtskollegen Edgar Faure die französisch-tunesischen Verträge unterzeichnet. Trotz des Widerstandes von Salah Ben Youssef, der in der Folge aus der Destour-Partei ausgeschlossen wurde, wurden die Verträge vom Kongress des Néo-Destour am 15. November in Sfax ratifiziert. Nach neuen Verhandlungen erkannte Frankreich am 20. März 1956 die Unabhängigkeit Tunesiens an, wobei es sich die Militärbasis in Bizerta behielt.

Tunesien nach seiner Unabhängigkeit

Am 25. März 1956 wurde die konstituierende Nationalversammlung des Landes gewählt. Die Néo-Destour gewann alle Sitze, und Bourguiba übernahm den Parlamentsvorsitz. Am 11. April wurde er von Lamine Bey zum Premierminister ausgerufen. Am 13. August wurde das fortschrittliche tunesische Personenstandsgesetz erlassen. Am 25. Juli 1957 wurde die Monarchie abgeschafft, Lamine Bey musste abdanken, und Tunesien wurde eine Republik. Bourguiba wurde am 8. November 1959 zu ihrem ersten Präsidenten gewählt.

Am 8. Februar, mitten im Algerienkrieg, verletzten Flugzeuge der französischen Streitkräfte die tunesisch-algerische Grenze und bombardierten das tunesische Dorf Sakiet Sidi Youssef. 1961, als das Ende des Algerienkrieges absehbar war, forderte Tunesien die Rückgabe der Militärbasis von Bizerta. Die folgende Bizerta-Krise forderte etwa 1000 Todesopfer, davon die Mehrheit Tunesier. Sie endete mit der Rückgabe der Basis am 15. Oktober 1963.
Nach der Ermordung von Salah Ben Youssef, dem wichtigsten Oppositionellen seit 1955, sowie des Verbots der Kommunistischen Partei am 8. Januar 1963 wurde die tunesische Republik zu einem von der Néo-Destour geführten Einparteienstaat. Im März 1963 leitete Ahmed Ben Salah eine sozialistische Politik ein, unter welcher praktisch die gesamte tunesische Wirtschaft verstaatlicht wurde. Bereits 1969 wurde Ben Salah jedoch entlassen, nachdem es zu Unruhen wegen der Kollektivierung der Landwirtschaft gekommen war; das sozialistische Experiment war damit auch beendet. Die schwächelnde Wirtschaft und der von Muammar al-Gaddafi gepredigte Panarabismus führten zu einem 1974 gestarteten politischen Projekt, das Tunesien und Libyen unter dem Namen Arabische Islamische Republik vereinigen sollte. Dieses Projekt wurde jedoch nach nationalen und internationalen Spannungen wieder fallengelassen.
Die Verurteilung Ben Salahs zu einer hohen Gefängnisstrafe leitete eine Periode ein, in welcher der durch Ahmed Mestiri angeführte liberale Flügel der mittlerweile nach PSD umbenannten Partei die Oberhand gewann. Bourguiba wurde 1975 zum Präsidenten auf Lebenszeit ernannt, der Gewerkschaftsbund UGTT gewann während der Regierung von Hédi Nouira eine gewisse Autonomie, und die Tunesische Menschenrechtsliga konnte 1977 gegründet werden. Die erwachende Zivilgesellschaft konnte auch durch die Gewaltakte gegen die UGTT am Schwarzen Dienstag des Januar 1978 und die Angriffe auf die Bergbaustadt Gafsa im Januar 1980 nicht mehr mundtot gemacht werden.
Zu Beginn der 1980er Jahre geriet das Land in eine politische und soziale Krise, deren Ursachen in Nepotismus und Korruption, in der Lähmung des Staates angesichts der sich verschlechternden Gesundheit Bourguibas, in Nachfolgekämpfen und einer generellen Verhärtung des Regimes zu suchen sind. Im Jahre 1981 erweckte die teilweise Wiederherstellung des pluralistischen Systems Hoffnungen, die jedoch bereits mit der Wahlfälschung im November desselben Jahres zerstört wurden. Die blutige Niederschlagung der Brot-Unruhen im Dezember 1983, die erneute Destabilisierung der UGTT und die Verhaftung ihres Vorsitzenden Habib Achour trugen dann zum Sturz des alternden Präsidenten und zum sich verstärkenden Aufkommen des Islamismus bei.
Am 7. November 1987 setzte Ministerpräsident Zine el-Abidine Ben Ali den Präsidenten aufgrund von Senilität ab, was von der Mehrheit des politischen Spektrums begrüsst wurde. Im Dezember 1987 entliess Ben Ali 6 der 9 Politbüromitglieder der regierenden Parti Socialiste Destourien (PSD) und ersetzte sie durch persönliche Vertraute. Nach dem Machtwechsel kehrten auch mehrere Exilpolitiker nach Tunesien zurück. Ende 1987 wurden 2.500 Gefangene, darunter auch 600 islamische Fundamentalisten aus den Gefängnissen freigelassen. Aussenpolitisch setzte Ben Ali auf eine engere Zusammenarbeit mit den Maghreb-Staaten und nahm auch die 1985 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen zu Libyen wieder auf.
Ben Ali wurde am 2. April 1989 mit 99,27 % der Stimmen gewählt und schaffte es in der Folge, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Ben Ali bekämpfte den radikalen Islamismus aktiv und ersparte Tunesien somit die Gewalt, die das benachbarte Algerien erschütterte; die Ennahda-Partei wurde neutralisiert, zehntausende militante Islamisten verhaftet und in zahlreichen Prozessen zu Beginn der 1990er Jahre verurteilt. Die laizistischen Oppositionellen gründeten 1988 mit dem Pacte national eine Plattform mit dem Ziel, das Regime zu demokratisieren. Die politische Opposition und Nicht-Regierungsorganisationen begannen derweil, das Regime der Einschränkung von Bürgerrechten zu beschuldigen, indem sie die Repression über die Bekämpfung des radikalen Islamismus hinaus ausweitete. In den Präsidentschaftswahlen 1994 wurde Ben Ali mit 99,91 % der Stimmen wiedergewählt; im Jahr 1995 unterzeichnete er ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union. Die Präsidentschaftswahlen am 24. November 1999 waren die ersten pluralistischen Wahlen in der Geschichte des Landes, wurden jedoch von Ben Ali mit einem ähnlichen Stimmenanteil wie in den vorangegangenen Wahlen gewonnen. Die Verfassungsänderung des Jahres 2002 steigerte noch den Machtumfang des Präsidenten. Im selben Jahr meldete sich der islamische Terrorismus mit dem Anschlag auf die Al-Ghriba-Synagoge zu Wort.
Seit 2008 ist Tunesien mit der Europäischen Union assoziiert.

Beginn der Unruhen

Am 4. Januar 2011 starb in einem Krankenhaus in Tunis ein 26jähriger Mann an den Verletzungen, die er sich in der Provinzhauptstadt Sidi Bouzid bei einer Selbstverbrennung am 17. Dezember 2010 zugefügt hatte. Mohamed Bouazizi, ein Gemüsehändler, hatte sich selbst vor dem Gouvernoratsgebäude in Brand gesetzt, um gegen die Konfiszierung seines Obst- und Gemüsestandes durch die Polizei zu protestieren. Es folgten Solidaritätskundgebungen im ganzen Land, die sich zu regimekritischen Kundgebungen ausweiteten. Forderungen nach Presse- und Meinungsfreiheit mischten sich mit Kritik an Korruption und Zensur.
Der Ärger der Tunesier richtet sich auch gegen die Kleptokratie in der Umgebung Ben Alis, insbesondere durch die zahlreichen Familienmitglieder seiner Frau, Angehörige der Familie Trabelsi, die aufgrund von politischer Einflussnahme wichtige Unternehmen in Tunesien in Besitz genommen haben.
Während der Unruhen, die auch das Nachbarland Algerien erfassten, kam es im Januar 2011 zur Verhängung einer Ausgangssperre über die Hauptstadt und Teile ihrer Vororte. Präsident Ben-Ali reagierte auf die von der Opposition so genannte Jasminrevolution mit der Ausrufung des Ausnahmezustandes. Er löste die Regierung auf und kündigte vorgezogene Neuwahlen an, bevor er, aufgrund immer lauter werdender Proteste, am 14. Januar 2011 fluchtartig das Land verliess. Die Amtsgeschäfte wurden vom Verfassungsrat interimistisch auf den Parlamentspräsidenten Fouad Mebazaâ übertragen, nachdem kurzzeitig Premierminister Mohamed Ghannouchi sie geführt hatte. Der Parlamentspräsident soll nun Neuwahlen vorbereiten, die binnen zwei Monaten abgehalten werden sollen.